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Brief an eine neue Straßenbahn in Innsbruck – Liebe Linie 3 14. Dezember 2012

Posted by wwlinde in Allgemeines.
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Liebe Linie 3 in Innsbruck,

ich bin schon mit dir gefahren, als du noch nicht ein Bombardier-Produkt warst, sondern als du mit einem Anhängerwagen zwischen Pradl, vom Ende der Amraser Straße aus zum Wiltener Platzl gefahren bist. Vorne der Antriebswagen, hinten der angehängte Beiwagen und irgendwo saß auch ein Schaffner oder ging durch die Wägen und verkaufte Fahrscheine und zwickte, wie man es nannte, die Fahrscheine, die man im Vorverkauf gekauft hatte. Einen Fünfer- oder Zehnerblock oder wie das genannt wurde. Wenn wir viele waren, die damals, als die Autos noch nicht so zahlreich waren, mit der Tram fuhren, dann kauften wir so einen Block und verteilten unter uns die verbilligten Scheine.

Als die Triebwägen kamen, durfte man nur hinten einsteigen, weil da der Schaffner saß und Karten kontrollierte, zwickte und natürlich auch verkaufte. Heute gibts keine Schaffner mehr. Keiner, der an einer über die Decke laufende Lederschnur zíeht, damit es klingelt und alle wissen, dass jetzt gleich die Fahrt weiter geht. Heute tutet es irgendwie, die Türen gehen automatisch und nicht händisch auf und alles ist halt viel moderner und die Arbeitsplätze bei der IVB sind weg, weil es den Beruf des Schaffners nicht mehr gibt. Nur mehr private Kontrollore tauchen manchmal auf, zücken wie Kriminalpolizisten eine Marke – aber das ist eine andere Geschichte.

Das Rattern und das Schwanken während der Fahrt damals haben wir geliebt und ich besonders. Nur manchmal, wenn wir nach einer liederdurchtränkten echten Saufnacht heimgefahren sind, dann war das Schwanken etwas, was den Magen ins Wanken brachte.

Damals sang man auch noch, ich spreche noch immer von den liederdurchtränkten Abenden, die manchmal bis zum Morgen dauerten, damals also, als man in den Lokalen noch singen durfte, wenn‘s und weil’s  urgemütlich war, gab es noch das Lied mit den vielen Strophen, von denen eine lautete:

Ja, a Straßenbahn wollns a no haben,

ja in Innsbruck, in Pradl und in Hall.

Bei der ersten scharfen Kurvn

hats den Schaffner aussigwurfn,

ja in Innsbruck, in Pradl und in Hall.

Liebe alte Dreier, du bist jetzt die neue Linie 3 und fahrst von Amras zur Höttinger Au und über die Unibrücke und gestern war die erste offizielle Fahrt.

Eine historische Stunde, die dementsprechend mit Sprüh-Lichtern bei den Stationen nächst der Uni und in der Höttinger Au gefeiert wurde.

Liebe Dreier, mach dir nichts draus: Du fahrst sowieso, wenn die Chauffeure es wollen. Und du fahrst nichtsdestotrotz, wenn die Bürgermeisterin am Fahrersitz sitzt und sich vielleicht noch nicht so gut auskennt wie der Fahrer. Aber sie lenkte ja die Geschicke und fährt nicht über  Weichen, sondern stellt sie, halt woanders, nicht bei deinen Geleisen.

Und, liebe Dreier, schreck dich nicht, wenn eine Blasmusikkapelle aufmarschiert, auf deinen Geleisen und bei einer Reihe von Festgästen Halt macht, die sich zum Bandlschneiden für die Fotografen aufgestellt haben, und zeigen, dass sie mit der Schere umgehen  und ein Band halten können. Und das steht dann in der TeTe und anderswo. Tschinderassabumm.

Liebe Dreier, du gehörst dem Volk, also uns allen und damit mir auch ein bissel. Die Bandlschneider nehmen nur Gesichtsbäder vor der Masse, damit sie erkannt werden, wenn sie auf der Straße mit ihren Dienstwägen oder Dienstfahrrädern oder etwa gar zu Fuß unterwegs sind. Vielleicht fahren sie auch dann und wann einmal mit dir.

Liebe Dreier, du teure Bahn, du bist eine Straßenbahn und keine Regionalbahn, aber ich mag dich grad deswegen, weil meine Erinnerungen wach werden, wenn ich mit dir fahre.

Und wenn ich bei deinen Fenstern hinausschau‘, dann seh ich, wie schön Inns’bruck ist.

Und du bist auch toll, ganz toll, mit all deiner Geschichte und deine Geschichten, du Dreier. Fahr gut, mit deinen Zwillingen, unfallfrei und schwank nicht wie ich, damals, in der Jugend-Leichtsinnszeit, der schönen, wenn der Föhn blast.

Das wünscht dir

Dein WWL

Kommentare

1. Irmgard - 14. Dezember 2012

Ma , das sind erinnerungen . Nur konnten wir uns das fahren kaumleisten. Nur wenn wir mit der 4 er nach Hall fuhren, zu der Tante, dann leisteten sich unsere Eltern auch das und es war sooo unendlich schön. Danke WWL

2. Alter Triebwagen – Linie 3 | Wolkenfahnderin's Foto-Blog - 15. Dezember 2012

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